James Rizzi
– der legendäre Pop-Art-Künstler aus New York. 1950 in Brooklyn geboren, studierte er bis 1974 Kunst an der University of Florida in Gainesville. Bereits kurz nach Studienende hatte er die Chance, seine Arbeiten im New Yorker Brooklyn Museum zu präsentieren.
Im Laufe der Jahre entwickelte er seinen charakteristischen Stil immer weiter und erschuf ein Meer von farbenfrohen Bildern, die vor Lebensfreude nur so sprühen. Rizzi lebte und arbeitete bis zu seinem Tod am 26. Dezember 2011 in seinem Atelier-Loft im New Yorker Stadtteil SoHo.
Wer auf James Rizzis Bilder blickt, sieht viel von New York: Wolkenkratzer und Wagenkolonnen, Leuchtreklame und Lollipops, Hotdog-Verkäufer und den Hudson, das Guggenheim und den Central Park, die Brooklyn Bridge und den Broadway, Straßenzüge, Straßenschilder, Hydranten, Mülltonnen. Vor allem aber sieht er eines: Menschen, Menschen, Menschen. ‚In meiner Arbeit geht es um die Menschen, um das alltägliche Leben. Und das ist vor allem ein Zusammenleben.’ Dabei betrachtet Rizzi seine Heimatstadt als vorbildliches Sozialmodell. Es klappt – und dass man sich trotz unzähliger verschiedener Muttersprachen versteht, ist schon ein kleines Wunder. Das Geheimrezept?
Für Rizzi liegt es vor allem daran, dass eine Sprache allen gemein ist: das Lächeln. Lächeln müssen auch wir, wenn sich uns durch Rizzis Bilder ein Blick auf die Welt auftut, der die Alltagssorgen wegwischt; die Welt ist fröhlich, bunt und voller kleiner Schätze, die entdeckt werden wollen. Die Sichtweise mag uns an unsere Kindheit erinnern, eine Zeit von unbändiger Schaulust. Es ist Rizzis großes Verdienst, sich diese kindliche Ursprünglichkeit erhalten zu haben.
Zum Künstler wurde James Rizzi recht spät. Er ist mehr in die Kunst gestolpert, ja, sie hat ihn mindestens so sehr gefunden wie er sie. Und der Ort der Begegnung war paradoxerweise gerade nicht New York, sondern Florida, der einzige ‚Seitensprung‘ von New York, ein folgenreicher jedoch. James Rizzi war dort zum Studium – BWL, ganz pragmatisch. Da hat man zumindest später gute Aussichten. Geld hatte er nicht viel. Das Haus, in dem er wohnte, war entsprechend spartanisch möbliert. Aber für eine schicke Bleibe reichte es eben nicht ganz. Die Not zur Tugend machend, griff er zum Pinsel und bemalte die Wände. Und da war’s geschehen. Die Freunde waren begeistert, drängten den damals knapp über Zwanzigjährigen, doch Kunst als Wahlfach zu belegen. Und irgendwann war dann BWL vergessen, Taschenrechner machten Tusche Platz, Graphen Grafiken und BWL-Bücher Bildern, Bildern, Bildern.
Rizzis Kunstlehrer förderten ihn, spornten ihn an, sich technisch weiterzuentwickeln, führten ihn intellektuell durch die Kunstgeschichte, wo Rizzi Vorbilder in Dubuffet, Picasso und Hundertwasser fand, die seine frühen Bilder zum Teil prägten. Dialogisch entwickelt er seinen eigenen Stil, saugt die Tradition inspiriert auf, transformiert sie – und hat schon früh etwas Eigenes, Markantes, eben Ursprüngliches. In einer dreifachen Hausarbeit erfi ndet Rizzi schließlich das, was ihn berühmt gemacht hat: die dreidimensionale Druckgrafik. Dieses
eigene, Markante verschafft ihm 1977 einen ersten Durchbruch: Der junge Künstler wird eingeladen an der zelebrierten Ausstellung ‘Thirty Years of American Printmaking’ im renommierten Brooklyn Museum teilzunehmen. Da hängt dann ein Rizzi, als einzigedreidimensionale druckgrafi sche Konstruktion, zwischen den Großen der Zeit, zwischen Andy Warhol, Frank Stella und Roy Lichtenstein. Rizzi ist in der Kunstwelt angekommen. Und er ist zurück – in New York.
Allerdings zieht James Rizzi nicht zurück in seinen Heimat-Stadtteil Brooklyn, sondern in das Künstlerviertel SoHo, in ein kleines Ladengeschäft, das er zu gleichen Teilen als Studio, Wohnung und Galerie benutzt, und arbeitet Tag und Nacht. Wenn er nicht malt oder mit der Druckpresse hantiert, sitzt er auf der Straße und verkauft seine Kunst an Passanten. „Nur zwanzig Dollar! Sie bekommen dafür ein echtes Kunstwerk.“ Vielleicht ist das Lehrbuchwissen der BWL doch noch nicht ganz verfl ogen. Rizzi ist ein guter Verkäufer. Er geht mit einem Bündel unterm Arm klinkenputzend von Galerie zu Galerie, stellt sich vor, preist die Bilder an. Der große Leo Castelli weiß zwar, dass der junge langhaarige Hippie nicht in sein Portfolio passt; doch ein Bild kauft er ihm dennoch ab. Für die eigene Sammlung. Das gibt Auftrieb. Und da klappt es auch schon. Die etablierte „Multiple Impressions Gallery“ stellt Rizzi probeweise aus – und die Bilder schlagen ein wie eine leuchtend bunte Farbgranate. Mehrere Galeristen nehmen den damals durchaus schrägen Typen auf; und da hat der Verkauf auf der Straße ein Ende. Rizzi kann sich ganz dem widmen, was er liebt, derjenigen Leidenschaft, die ihm der Zufall in Form einer leeren Wand zuspielte.
Heute blickt James Rizzi auf eine rund dreißigjährige Künstlerkarriere zurück, aus der Werke hervorgegangen sind, die inzwischen rund um den Globus verteilt sind. Grafi sche Editionen, Collagen, Acrylbilder. Rizzi ist immens produktiv. ‚Ich stehe jeden Morgen auf, wenn alle noch schlafen, beginne mit der Arbeit und geh nur ganz selten aus.’ gesteht er demjenigen, der sich ob der schieren Menge wundert. Es hat ihn damals ihn Florida wirklich erwischt. James Rizzi ist arbeitsbesessen.
Hinter dieser Arbeit steckt Leidenschaft. Und irgendwie doch wieder Kindheit, nämlich Elternhaus. James Rizzis Eltern, katholische, irisch-italienische Einwanderer in der zweiten Generation, waren ihrerseits, vom Aufstiegsethos beseelt, immer am Werken und Arbeiten. So ist Rizzis Philosophie eine uramerikanische Mischung aus Arbeitsethik und ‚carpe diem’ Gegenwartsaffi rmation, die weiß, dass der Weg nach oben verdient werden muss, und die den Lohn des Erfolgs immer auch als Geschenk sieht. Der Begriff „Bescheidenheit“, ja „Demut“ gar darf hier fallen. Demut und Dankbarkeit – dafür, dass man Glück im Leben hatte. Dafür, dass man glücklich sein darf.
“The past is history, tomorrow is a mystery, today is a gift.“ Dies ist Rizzis Tugendlehre in kondensierter Form. Und was sagt der Blick ins mysteriöse Morgen? Für Rizzi ist das Leben ein Abenteuer. „Wenn ich morgens aufwache, dann bin ich ‚excited‘, freudig gespannt darauf, was der Tag bringen mag.“ Man weiß es nie. Es kann eine Leinwand sein, die die Farbe einfach nicht hält, so dass man zu Kunstgriffen gedrängt ist, die sich plötzlich als genialischer Glücksgriff erweisen; es kann sein, dass Juan Antonio Samaranch plötzlich anruft, um für ein Plakat der Olympischen Spiele zu bitten; es kann sein, dass einfach eine trübsinnig weiße Wand einen zum Pinsel greifen lässt und dieser Griff ein Leben für immer verändert.